Persönlicher Bericht eines "Transplantierten"
Reiner Hofman hat seit 1992 ein transplantiertes
Herz, und gewährt in diesem Bericht einen sehr persönlichen
Einblick in seine durchlebten Erfahrungen.
"Ich
bin 1950 geboren und war bis zu meiner
Krankheit ein Mensch wie jeder andere. Nach Abschluss meiner
Lehre als Bankkaufmann hab ich geheiratet. Ich habe 2 Söhne.
Ich selbst hab mich bis zum Jahr 1991 hochgearbeitet zum Vorstandsmitglied
einer Volksbank, war noch Geschäftsführer einer bankeigenen
Wohnbau GmbH und, wie man so schön sagt, „unersetzlich". Dass
ich dabei in all den Jahren Schindluder mit meiner Gesundheit
getrieben habe, das wurde mir erst später bewusst.
Im Frühjahr 1991 bekam ich Luftprobleme, manchmal stechende
Schmerzen in der Brust. Schmerzen in den Beinen und meine
Leistungsfähigkeit war plötzlich innerhalb weniger Wochen
weg. Hausarzt, dann Krankenhaus. Und nach wenigen Tagen die
Diagnose: Erkrankung des Herzmuskels, das Herz war 80% größer
als normal, die Pumpleistung war noch 10%, mein Herz war ein
„ausgelaugter Waschlappen" (Zitat des Arztes) mein biologisches
Alter war lt. Aussage der behandelnden Ärzte 80. Die Alternativen:
Weiterleben wie ein 80-jähriger, in der Hoffnung, vielleicht
83 zu werden oder aber eine Herztransplantation mit der 75%-Hoffnung
auf ein wesentlich lebenswerteres Leben als das was jetzt
möglich war (ich konnte kaum 1 Stockwerk Treppen steigen)
und möglicherweise sogar eine Rückkehr in das Berufsleben.
Im Juni 1991 war persönliche Vorstellung in der Uniklinik
in Heidelberg, im August begannen die notwendigen Voruntersuchungen
ob man überhaupt für eine Transplantation tauglich ist (auch
psychisch) und Ende August bin ich im „Wartekrankenhaus" (ca.
10 weitere Wartepatienten waren schon dort) gelandet. Hier
sollte ich warten bis zum Tag X, dem Tag, an dem irgendwo
in Europa ein Mensch gestorben war, der mir in Größe, Alter
und Gewicht ähnlich war, und der meine Blutgruppe hatte. Man
sagte mir, die Wartezeit dauert ca. 3 Monate. Nach 8 Monaten
hatte ich dann das erste Organangebot. Abends gegen 21.00
Uhr informierte mich das Pflegepersonal, dass es heute nacht
wohl endlich los ginge. Eine Woge der Erleichterung und Freude
kam in mir auf, Ruhe und Gelassenheit. Jetzt kam endlich das
lang ersehnte neue Herz. Ich war fest überzeugt und hatte
keine Zweifel, dass alles gut gehen würde. Doch nach ca. 2
Stunden gespanntem Warten auf den Krankentransport in die
Chirurgische Klinik zersprang alle Hoffnung wie eine Seifenblase.
Das Spenderorgan bekam ein anderer Patient dem es schlechter
ging als mir. Nachdem sich mein Gesundheitszustand eigentlich
während den letzten Monaten etwas stabilisiert hatte wurde
ich im Mai 1992, einen Tag nach dem Fehlalarm, mit Cityruf
aus dem Krankenhaus entlassen. Jederzeit erreichbar musste
ich sein für den Fall, dass ein neues Angebot kommen würde.
Langsam aber sicher verlor ich den Mut, die Wartezeit wurde
länger und länger, der Druck auf mich und meine Familie immer
stärker. Ich dachte daran, alles abzusagen. Doch an einem
Tag, an dem ich überhaupt nicht daran dachte, kam gegen 21.00
Uhr ein Anruf aus der Klinik. Ein Spenderangebot sei in Aussicht,
ich solle mich in die Klinik begeben, möglicherweise könne
ich am nächsten Tag transplantiert werden. Wieder diese Woge
der Erleichterung, die Gelassenheit und Ruhe. Meine Familie,
mein Hausarzt, alle waren äußerst nervös, nur ich nicht. Ich
war die Ruhe selbst. Und diesmal war alles o.K. Es klappte
alles reibungslos. Am nächsten Tag um 7.00 Uhr kam der transplantierende
Arzt und informierte mich darüber, dass er jetzt losfliegen
werde, um das Organ zu holen. Gegen 9.00 Uhr wurde ich in
den Narkoseraum gefahren, die Vorbereitungen begannen. Am
Abend des selben Tages, gegen 21.00 Uhr war ich das 1.mal
wissentlich aus der Narkose erwacht. Der 1. Eindruck, den
ich nie vergessen werde: ich konnte wieder unbeschwert atmen,
ich bekam Luft in ausreichender Menge. Am nächsten morgen
telefonierte ich mit meiner Frau und war schon wieder frech,
2 Tage später lief ich in einem 3-Meter-Radius um mein Bett,
wieder einige Tage später war ich auf der Station unterwegs
und zum ersten Mal in der frischen Luft. Es waren einfach
unbeschreiblich schöne Tage, das Leben mit „meinen" neuen
Herzen hatte begonnen.
Das alles ist nun schon mehr als 7 Jahre her. Mir ist es als
wäre es gestern gewesen. Die Zeit vergeht wie im Flug. Meine
täglichen lebenswichtigen Medikamente schlucke ich mit Mineralwasser
wie andere ein Glas Bier. Mit der Rückkehr in den Beruf hat
es nicht geklappt, wenn ich ehrlich bin, ich wäre dem Stress
wahrscheinlich nicht mehr gewachsen und ich möchte es auch
nicht riskieren. Das Leben ist zu wertvoll, als es auf diese
Weise wieder aufs Spiel zu setzen.
Ich denke oft an meinen „Spender", gerade auch jetzt, wenn
ich diese Zeilen schreibe, stehen mir die Tränen in den Augen.
Ich habe meinen „Spender" nie personifiziert, nie versucht,
ihn in eine Person zu drängen, damit ich eine Vorstellung
haben könnte, wer er war. Ich bin einfach nur dankbar, dass
es jemanden gab, der bereit war, nach seinem Tode einem anderen
mit diesem Geschenk zu helfen weiterzuleben. "
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von Reiner Hofman
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